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Postkarten aus Istanbul

Wie nehmen wir Istanbul wahr? Eine Stadt, die wir kennen, aber eigentlich auch nicht - eine Stadt, die jedes Mal anders aussieht und trotzdem die immer gleichen Gefühle auslöst: Leichtigkeit und Schwermut.

Während unserer fünftägigen Workshopwoche Co_Create in Istanbul Ende April trafen alte Bekannte und neue Gesichter, kurz: junge Menschen aus den verschiedensten Orten Deutschlands und der Türkei, aufeinander, um zusammen zu leben, zu arbeiten und zu tanzen. Die hier gezeigten Postkarten sind entstanden, um unsere Eindrücke, Gedanken, Beobachtungen und Gefühle festzuhalten.

Wir verbrachten Abende auf dem Balkon von Katadrom und sogen nicht nur den Anblick der Stadt in uns auf: Wir lernten von Özgür Ulusoy und Kenan Ozcan, wie man Video-Interviews dreht und schneidet, von Marie Konrad über Reels und Fotografie in den Straßen der Stadt und von Eva Feuchter selbstbewusst zu illustrieren. Unter dem Motto “Wrongfidence” und inspiriert von der Umgebung in Cihangir hieß es: Einfach mal zeichnen, egal, wie krumm und schief die Linie aussieht.

Vor allem aber lernten wir einander kennen und dadurch auch uns selbst. Während wir durch die Straßen schlenderten und sich neue Erinnerungen wie Farbschichten über die Fassaden legten, wurden wir uns auch der Unterschiedlichkeit der Lebensrealitäten bewusst. 

Im Wind wehende Wäsche, Çay-Tische am Straßenrand oder Katzen auf den Steinmauer am Wasser in Karaköy mögen für die einen besonders ästhetische Momente sein, die fotografisch festgehalten und als romantische Souvenirs zuhause an die Wand gehängt werden, um zwischen den weißen Ikea-Möbeln ein bisschen Urlaubsflair zu schaffen. Für einige Menschen wiederum sind es Alltagsszenen, die – wenn überhaupt – eher Sorgen oder Unzufriedenheit hervorrufen. Vielleicht sind die Katzen hungrig auf der Suche nach Essensresten, vielleicht sind die Çay-Tische leer, weil weniger Menschen dafür Geld ausgeben können, vielleicht hängt die Wäsche draußen zwischen den Häusern, weil in den Wohnungen dafür kein Platz ist. 

Wenn wir ein Bier tranken, rechneten wir uns gegenseitig vor, um wie viel der Preis im Vergleich zu früher gestiegen war. Die Folgen der Inflation verschärfen die Ungleichheit zwischen den Menschen – und so auch die politische Situation.

Am Tag, als wir ankamen und den Sonnenuntergang von der Fähre nach Beşiktaş bewunderten, wurde der Menschenrechtsaktivist und Kulturförderer Osman Kavala zu lebenslänglicher Haft verurteilt.

Wenn wir erkennen und reflektieren, dass diese verschiedenen Welten gleichzeitig existieren, wie gehen wir damit am besten um? Können wir diese Erfahrung genießen und uns der unterschiedlichen Privilegien trotzdem bewusst sein? Wie verarbeiten wir dieses Aufeinanderprallen von Lebensrealitäten? Können wir diese Eindrücke und Reflektionen produktiv und kreativ verarbeiten, die gemischten Gefühle in Worten ausdrücken? Schreibt uns gerne eure Gedanken dazu!

Istanbul bleibt eine Stadt, die wir kennen, aber eigentlich auch nicht. Eine Stadt, die jedes Mal anders aussieht und trotzdem immer die gleichen Gefühle auslöst: Leichtigkeit und Schwermut. 

Ein großes Danke an:
Marie H., Rebecca, Navid, Sabrina, Marie K., Eva, Marlene, Daniel, Alperen, Zeynep, Filiz, Behiç, Seda D. für die Illustrationen und Gedanken, aber vor allem für die vielen gemeinsam verbrachten Momente zusammen.

Fotos: Marie Konrad
Text: Eva Feuchter und Marie Konrad


Gefördert wurde das Projekt Co_Create übrigens von der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke
Zur Website von unserer türkischen Partnerorganisation Katadrom gelangt ihr hier!
Mehr (visuelle) Eindrücke von der Zeit findet ihr auf unserem Instagramaccount.

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