In einem hügeligen Panorama in Çekmeköy, abseits des Istanbuler Trubels, steht der Campus des IELEV-Lisesi: Ein Gymnasium, das sich seit März 2017 offiziell eine „Deutsche Auslandsschule“ nennen darf.
Das Gebäude wirkt noch etwas steril, die oberen Stockwerke sind noch unbenutzt, aber das Schultreiben ist bereits in vollem Gange: Kichernde Jugendliche, geschäftige Lehrkräfte und eine Vielzahl an Arbeitsmaterialien und Plakaten zeugen von einem belebten Schulalltag.
Seit dem Schuljahr 2014/15 ist das Gymnasium in Betrieb. Etwa 170 Schüler und Schülerinnen werden hier momentan unterrichtet. Doch damit ist das Kontingent noch nicht ausgeschöpft: Perspektivisch sollen im Neubau 500 Jugendliche auf dem Weg zu ihrem Schulabschluss begleitet werden, erzählt der ehemalige Oberstudiendirektor Georg Michael Schopp, der bei der Gründung der Schule behilflich war und ist .
Der Abschluss ist hier kein normaler türkischer Gymnasialabschluss, sondern das so genannte „Gemischtsprachige Internationale Baccalaureate (GIB)“. Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich ein international anerkannter Abschluss, für den Unterricht in drei Sprachen vorausgesetzt wird. Im IELEV Lisesi wird so z.B. der Biologieunterricht auf Deutsch, Physik auf Englisch und türkische Literatur in der Muttersprache der Kinder gehalten. Die Dreisprachigkeit sei natürlich eine große Herausforderung, doch gleichzeitig stellten Sprachkenntnisse einen wichtigen Schlüssel zu Europa und der Welt dar, findet Schopp. Außerdem berechtigt ein GIB-Diplom genauso wie ein Abiturzeugnis zum Studium in Deutschland, Österreich, Großbritannien oder den USA.
Auch im international durchmischten Kollegium findet sich der Mischmasch aus Kulturen und Sprachen wieder. Viel Kommunikation findet auf Englisch statt, nur für Türkischlehrer*innen müsse ab und an gedolmetscht werden. „Mit mir wollen die Schüler dann auch immer nur Englisch und nicht Deutsch sprechen, weil sie mich als Englischlehrerin kennen“, erzählt die aus Deutschland stammende Imke Hermann, die hier als Studiendirektorin und Koordinatorin für das Diplom-Programm aktiv ist .
Geleitet wird das Gymnasium von einer deutsch-türkischen Doppelspitze. So kann sich auf der einen Hand um den internationalen Abschluss und auf der anderen Hand um die Anpassung an das türkische Schulsystem gekümmert werden.
Und warum genau braucht es eine dritte deutsche Auslandsschule in Istanbul? Mit dem IELEV Gymnasium (IELEV steht für: Istanbul Erkek Liseliler Eğitim Vakfi) haben sich ehemalige Mitglieder des Istanbuler Erkek Lisesi den Traum von eigenen Bildungsstätten erfüllt. Das auf die Eröffnung von Vorschule, Grundschule und Mittelschule nun auch noch ein Gymnasium folge, sei nur logisch gewesen, erzählt Schopp.
Nebenan spielen Kinder auf dem Pausenhof der Ortaokul (Mittelschule): Viele der Jüngeren, die hier zur Schule gehen, möchten später mal das Lisesi besuchen, erzählt Hermann. Aber natürlich seien auch Bewerber von außerhalb stets willkommen, um hier zu „forschenden, neugierigen, kritisch denkenden und kreativen Jugendlichen“ erzogen zu werden, wie es in der Selbstbeschreibung der Schule heißt .
Als „Deutsche Auslandsschule“ führe das IELEV Lisesi nun die langjährige deutsch-türkische Beziehung fort. Diese Beziehung lohne es sich aufrecht zu erhalten, auch in komplizierten Zeiten, meint Schopp. Die Schule könne schließlich ein Ort der Begegnung sein und eine Brücke zwischen den Kulturen bilden. Das sieht die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen genauso, wie sie mit der Verleihung des Titels „Deutsche Auslandsschule“ bestätigt.
Text: Marlene Resch
Fotos: Navid Linnemann