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Zwei türkeistämmige Künstlerinnen in Deutschland

Melek Lampé und Fahrelnissa Zeid

„In order to achieve a masterpiece, first you have to feel yourself within the picture, you must settle yourself in it with all your existence.“ – Prinzessin Fahrelnissa Zeid                                                          

Raffael, Vincent van Gogh, Pablo Picasso: Die Liste von bedeutenden Künstlern, die einem spontan in den Sinn kommen, ist lang. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass es sich hierbei nur um männliche Maler handelt. Was war mit den Frauen der vergangenen Jahrhunderte? Welche Meisterwerke haben sie vollbracht? Mit diesen Fragen machte ich mich auf die Suche nach weiblichen Künstlerinnen der Geschichte. Genauer: Nach weiblichen Künstlerinnen aus der Türkei, die auch in Deutschland gearbeitet haben. Schwer zu finden? Erfreulicherweise nicht!

Hemșerim – Landsmännin

Bereits bei meinem ersten Fund war ich begeistert, denn die Künstlerin Melek Lampé und ich teilen uns München als deutsche Heimatstadt. Als Melek Ziya wurde sie 1896 in die sehr bekannte und kultivierte Familie der Tepedelenliler geboren. Ihr Vorfahre war Ali, ein osmanischer Pașa albanischer Abstammung, der zu seiner Zeit große Teile des damals osmanischen Albaniens und Griechenlands beherrschte. Melek Ziya erhielt ihre ersten künstlerischen Einflüsse von ihrem Offiziersvater „Miralay“ Ziya Bey und ihre malerischen Lektionen von einem der damaligen Militärs-Maler Kâzim Bey. Sie hatte außerdem das große Privileg, sich viele Fremdsprachen wie Englisch, Französisch und auch Deutsch aneignen zu können. Ihre künstlerischen Fähigkeiten vertiefte sie nicht nur in der Akademie der Schönen Künste in Istanbul, sondern auch in der Académie Julian und der Académie Ranson in Paris. Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes, Celal Sofu, einem zypriotischen Rechtsanwalt, heiratete Melek Celal in den 1950ern den berühmten Münchner Internisten Professor Dr. A. E. Lampé, zog zu ihm nach München und hieß fortan Melek Lampé.

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Volkskunst der Türkei

In München setzte Melek Lampé, unterstützt von ihrem Ehemann, der selbst Kunstsammler war, ihre vielschichtigen künstlerischen Talente wie Malerei, Bildhauerei, Stickerei, Buchmalerei und Kalligraphie fort. Ihr Hauptaugenmerk in der neuen Heimatstadt lag auf der Sammlung alttürkischer beziehungsweise osmanischer Gewänder und anderen wertvollen Objekten, die sie im Frühjahr 1959 im Münchner Stadtmuseum ausstellen würde. Mit dieser Ausstellung wollte sie der deutschen Öffentlichkeit die traditionsreiche und künstlerisch sehr wertvolle Volkskunst ihrer türkischen Heimat der Öffentlichkeit nahebringen. Dies war 50 Jahre zuvor in Europa noch undenkbar gewesen: Dem Kunsthistoriker Celal Esad Arseven wurde 1909 der Druck seines Buches „Art turc“ in Paris verweigert, da man eine türkische Kultur, die unabhängig von der persischen und arabischen Kunst war, nicht kannte. So war es unter anderem Melek Lampé, die die Kunst der Turkvölker, der Seldschuken und der Osmanen Europa zugängig machte. Doch auch mit ihren eigenen Werken schaffte es Melek Lampé, wichtige Themen zu beleuchten. In ihrem Gemälde mit „TBMM’de Kadın“ aus dem Jahr 1936 porträtiert sie eine Frau am Rednerpult des türkischen Parlaments und leistet somit einen wertvollen Beitrag für die Geschichte der Frauen.

Şakir Paşa Ailesi – Eine künstlerische Familie

Mein zweiter Fund führt mich nach Berlin zu Prinzessin Fahrelnissa Zeid (auf Türkisch: Fahrünnisa Șakir), die aus einer bemerkenswerten Familie stammt. 1901 kam sie als drittes von sechs Kindern des Șakir Pașa auf die Welt. Ihr Onkel Cevat Pașa war ein enger Vertrauter des Sultans und somit vom hohen Rang. Ihr älterer Bruder, benannt nach dem erfolgreichen Onkel Cevat, dürfte allerdings besser bekannt sein als der Schriftsteller „Der Fischer von Halikarnassos“. Seinen Lebensabend verbrachte er im Exil in Bodrum (Name in der Antike: Halikarnassos), nachdem er Jahre zuvor im Gefängnis gesessen hatte. Denn als Fahrünnisas Bruder Cevat von der heimlichen Affäre zwischen seiner italienischen Ehefrau Aniesi und seinem Vater erfährt, erschießt er seinen eigenen Vater. In Bodrum widmet er sich zeitlebens seinen Romanen.

Fight against Abstraction, 1947 Oil on canvas 101 x 151 cm

Das Talent der Prinzessin

Fahrünnisa galt in ihren jungen Jahren nicht nur als sehr schön, sondern auch als besonders talentiert. Mit dem Malen begann sie bereits mit neun Jahren und konnte schon mit 14 Jahren wie eine erwachsene Malerin ihre Visionen künstlerisch darstellen. Ihre Leidenschaft zur Malerei vertiefte sie mit dem Studium in der Akademie der Schönen Künste in Istanbul. Wie Melek Lampé setzte auch Fahrünnisa ihre künstlerische Ausbildung in der Pariser Académie Ranson fort. Nach ihrer Scheidung 1934 heiratete sie den damaligen Prinzen von Irak Zeid bin Hussein, der zu dieser Zeit als Botschafter in Ankara lebte und hieß fortan Prinzessin Fahrelnissa Zeid. Aufgrund der Botschaftertätigkeiten ihres Mannes zog das Paar 1935 für drei Jahre nach Berlin, wo die Prinzessin ihre Malerei fortsetzen konnte. Derzeit würdigt die “KunstHalle” der Deutschen Bank in Berlin mit einer Ausstellung Zeids Werke.

Mit diesen Informationen kann ich nicht nur mein Repertoire an Künstlerinnen um zwei wichtige Frauen ergänzen, sondern auch genau das tun, was sie Jahrzehnte vor mir bereits geleistet hatten: Kunst schaffen und Kunst weitergeben. Schließlich handelt es sich dabei um nichts anderes als den Ausdruck eines Gefühls und somit einer Momentaufnahme, ganz gleich, ob sie in Mittelasien zur Herrschaftszeiten der Seldschuken, in der italienischen Hochrenaissance oder 2018 in der bayerischen Landeshauptstadt entstanden ist.

Text: Sevda Arican

Titelbild:
Fahrelnissa Zeid als Studentin an der İnas Sanâyi-i Nefîse Mektebi  (Akademie der Künste für Frauen), 1920, Erdal Aksoy, courtesy Mimar Sinan Fine Arts, © Deutsche Bank KunstHalle (redaktionell bearbeitet)
Bild 1: Ausstellungskatalog Volkskunst der Türkei: Sammlung Melek Lampe im Münchner Stadtmuseum, Münchner Stadtmuseum 1963
Bild 2: Fight against Abstraction, 1947, UniversityIstanbul Museum of Modern Art/ Read Zeid Al-Hussein, © Deutsche Bank KunstHalle