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Erinnerungen durch den Gedächtnisfilter

– Fatima Spieker

Das merkwürdige an Erinnerungen ist ja, dass sie mit der Zeit ihr Eigenleben entwickeln. Diese Person da unten, die offensichtlich ich war, ist mir als solche zwar fremd. Ich weiß nicht mehr genau, womit sie sich damals den lieben langen Tag so beschäftigt hat. Ich weiß aber aus irgendeinem Grund noch genau, dass das Pferd Zorro (hier in einer unangenehmen Kopfstand-Position zu sehen) eine enorm wichtige Rolle gespielt hat. Und dass der Abschied von ihm, als er in einem Supermarkt vergessen wurde, wirklich sehr schmerzhaft war.

Wohingegen die Erinnerungen an Zorro, wie er, im Rahmen seiner Möglichkeiten als Stoffpferd, lebte, relativ plastisch geblieben sind, wurden viele Erinnerungen, die eigentlich einschneidend sein sollten im Leben eines Menschen, von meinem Gedächtnisfilter als Standbild abgeheftet. Da war zum Beispiel unser Hund, der eines Tages von einem Jäger erschossen wurde. Sein Tod wurde als dramatisches Ereignis in die Erinnerungskategorie „eindimensional/schlecht“ abgeheftet und überschattete die Eindrücke, die er lebend hinterließ (hinterlassen hatte?). Leider wurden damit seine Eigenschaften, die ihn als Hund ausmachten (zum Beispiel lustig sein, schnüffeln etc.) durch seine neue und viel dramatischere Eigenschaft tot zu sein abgelöst und wenn ich mich heute an ihn erinnere, sieht er aus wie auf dem Bild unten.

Aus einem mir nicht bekannten Grund existieren jedoch in meinem Gedächtnis in der Rubrik „Kindheit“ mindestens 20 Bilder, die mit Schwimmbad und Wasser zu tun haben. Wenn ich mir heute Freibäder so ansehe, dann halte ich die in der Sonne brotzelnden Körper und Pommes futternden Kinder unter der Aufsicht playboyhafter Bademeister nicht für einen elementaren Entwicklungsbestandteil.

In meiner Erinnerung wurden hier jedoch die großen (inneren) Kämpfe des Erwachsenwerdens ausgefochten.

Wenn ich so drüber nachdenke, kommt es mir vor als würden meine Erinnerungen hauptsächlich daraus bestehen, dass ich irgendwo hochgeguckt habe und mir dachte: ob ich mich da mal rauftraue? Ob ich irgendwann mal groß genug bin, um da hochzukommen? Und so geht es ja dann irgendwie auch weiter.