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Klübi-Mate. Oder: Wie eine Limo es von Franken in die Istanbuler Szene schafft

Jiré und Lorant, sesshaft in Berlin, haben sich in Tokio kennengelernt. Jiré hat türkische Wurzeln und sie hat es außer nach Asien auch schon einige Male nach Istanbul verschlagen. Lorant hat es nicht nur gereicht, Istanbul auf dem Luftweg zu besuchen, er hat mit seiner Familie früher die ganze Türkei mit dem Wohnwagen bereist. Jetzt haben die beiden ihren Weg durch Club-Mate zurück nach Istanbul gefunden. Ihr Ziel ist es, diesem Trenddrink auch in Istanbul einen Stammplatz in den Cafés und Discos zu schaffen.

Zur Erklärung für alle, denen der Begriff Club-Mate nichts sagt: Es handelt sich um eine Limo auf Mateteebasis, die als in Franken beheimatete Hackerbrause Karriere machte und schließlich im Sturm ganz Berlin eroberte. Mittlerweile ist sie aus Technoclubs und Szenecafés nicht mehr wegzudenken. „Wer Berlin gesehen hat und Club-Mate nicht kennt, der war nicht in Berlin“, findet Lorant.

Wie sich Jiré und Lorant Club-Mate annahmen

Doch wie kam es dazu, dass Jiré und Lorant sich dieses Getränk schnappten und es nach Istanbul auf die Reise schickten? Eine gute Frage und eine noch bessere Antwort: Eigentlich arbeiten die beiden nämlich in Deutschland gar nicht mit Club-Mate zusammen, Lorant ist Kommunikationsberater und Jiré Dozentin für Medienwissenschaft und Interkulturalität in Berlin an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft.

Ein befreundeter DJ aus Japan fand eine Flasche in Lorants Wohnung in Berlin und verliebte sich sofort in das koffeinhaltige In-Getränk. „Er zog die leere Flasche aus dem Kasten und sagte: “Oh, the Berghain drink.“ Von da an wurde die Limonade sein Dauerbegleiter, Tagsüber ohne Alkohol, abends mit. Vor seiner Rückkehr nach Tokio verschwand er im Späti und versorgte sich mit so vielen Flaschen wie möglich, um sie seinen Freunden in Tokio mitzubringen. Das gab bei Jiré und Lorant den Anstoß zu der Idee, Club-Mate ins Ausland zu bringen. Am nächsten Tag setzte sich Lorant dann direkt mit der Brauerei in Verbindung. Auf die Gedanken, dass Istanbul auf jeden Fall auch Club-Mate brauchen könnte, kam dann Jiré.

Club-Mate wird Türkei – Grenzgänger

Gesagt, getan. Dennoch brauchte es eineinhalb Jahre Vorbereitungszeit, bis die erste Ware in die Türkei transportiert werden konnte. Das lag weniger an der Schwierigkeit, Partner zu finden – es stehen bereits vierzehn Läden, Cafés und Bars in ganz Istanbul verteilt auf der Liste -, sondern eher an den bürokratischen Auflagen. „Obwohl die Türkei in der Zollunion ist, ist es immer schwierig, ein Produkt von außen in ein Land zu bringen. Würden wir hier produzieren und Angestellte einstellen, wäre das natürlich kein Problem, aber kein Land möchte, dass Ware aus dem Ausland importiert wird“, erzählt Lorant.

Die Anfangszeit war anstrengend, die erste Lieferung schaffte es zum Besipiel beim ersten Anlauf nicht durch den Zoll. Unter anderem sorgte die türkische Übersetzung von Mateslogan und Inhaltsstoffen auf den Etiketten für Verwirrung. „Wir wollten eigentlich gleich mit dem Verkauf loslegen, aber die Ware wurde dann teils zurück nach Deutschland geschickt, obwohl die Kunden hier schon sehnsüchtig gewartet haben“, erinnert sich Lorant. Beim zweiten Versuch konnten die Hindernisse überwunden werden und die Flaschen kamen, mehr oder weniger gleichzeitig mit Lorant und Jiré in Istanbul an. „Zum Glück hatten unsere Kunden großes Verständis und haben geduldig gewartet, bis es so weit war. Gleich am ersten Tag haben wir dann unseren ersten Kunden, Suma Beach, beliefert.” Das war auch nötig, da dort am selben Abend eine Party mit einem DJ aus dem Berliner Club Berghain anstand. Als dort die erste Mate über den Tresen ging, war die erste Hürde überwunden und es konnte so richtig losgehen.

Selbstentfaltung statt Marketing

Mate erklärt sich in Deutschland schlicht mit dem Slogan „ Man gewöhnt sich dran“ und das scheint auch in Istanbul zu funktionieren. Auf der ersten richtigen Club-Mate Party im Cue Club haben DJs aus Istanbul und Berlin aufgelegt, da erledigten sich die Startschwierigkeiten von allein. „Als wir auf der Party einer Gruppe türkischer Jungs dabei zugesehen haben, wie sie eine Flasche nach der anderen geleert haben, wussten wir, es hat sich gelohnt. Da gab es auch Erlebnisse, dass Leute auf uns zu kamen auf Partys und uns umarmt haben, um uns zu danken, dass wir ihnen Mate hergebracht haben.“

Obgleich Club-Mate in Istanbul einen Yabanci Status hat, glauben Jiré und Lorant nicht, dass in Istanbul Imagepolitik oder Werbecampagnen nötig sind. „Club-Mate ist ja auch in Deutschland kein Produkt, was Werbung betreibt. Kein Sponsoring, keine großen Werbecampagnen. Mate hat sich auch in Deutschland sozusagen von Mund zu Mund durchgesetzt. So wollen wir das auch hier betreiben, wir sind ja schließlich ein kleines Zwei-Leute-Startup“, meint Jiré. Den beiden war bei ihrer Idee eben genau diese Autenzität wichtig, sie wollten ein Produkt vertreiben, dass sie auch vertreten können. „Club-Mate hat ja auch in Deutschland kein bestimmtes Image, es kommt drauf an, was man daraus macht. Wir möchten, dass sich auch hier eine Eigendynamik entwickelt. Die Brauerei Loscher hat das ja genauso gemacht. Anstatt sich irgenwo einzukaufen, haben lokale Leute das über den Chaos Computer Club nach außen getragen“, erklärt Lorant.

Alternative Nutzung von Mateflaschen begrüßen die beiden übrigens sehr, im Eski Moda Café wurde bereits angefragt, ob man sie auch für Lichtinstallationen verwenden dürfe. Und auch Experimente mit dem Getränk selbst sind nicht verboten. Ob man die noch vollen Flaschen dann jetzt mit Wodka oder Raki mischt, ist ja schließlich auch jedem selbst überlassen. (Mate Raki steht übrigens ganz oben auf der To-Do-Liste der beiden.)

fatima club mate pic

Nischen finden in der Hippie-, Hacker- und Ökoszene

Als Lorant 2002 nach Berlin zog, war Club-Mate noch relativ unbekannt und nur in kleinen Hippieläden erhältlich, und genau das waren auch in Istanbul die ersten, die Interesse bekundet haben, einer im Statdtteil Levent und einer in Cihangir. „Wir haben bei verschiedenen Cafés angefragt, aber vor allem die kleinen Bioläden und alternativen Cafés kamen von sich aus auf uns zu und schienen ganz scharf drauf zu sein.“ Dann passt Mate also zum Go-Green Trend in Istanbul? „Die Öko-Szene boomt auf jeden Fall”, meint Lorant. Aber der erste Kontakt mit Mate-Fans in Istanbul verlief ähnlich, wie die Erfolgsgeschichte des Drinks auch in Deutschland angefangen hat.

Für alle die sich nicht mit der Biografie der Limo auseinander gesetzt haben: Club-Mate hat eine Imageverwandlung hinter sich. Unter dem Spitznamen „Hackerbrause“ ist der gebürtige Franke aus dem Brauereihaus Loscher nämlich schon lange bekannt. Als Wachmacher ist er nicht nur in Hackerkreisen berühmt, sein treuester Fan ist der Chaos Computer Club, der sogar, als es vor einigen Jahren zu einem Engpass in der Lieferung kam, einen Hilfeaufruf bei Facebook startete. „Unser erstes Treffen mit Mate-Trinkern in Istanbul fand tatsächlich auch bei einem Mittwochs- Hackerstammtisch statt. Das war ziemlich schräg. Die Türkei ist, glaube ich, an dritter Stelle, was Hacker angeht und denen war Club-Mate schon lange bekannt. Vor zwei Wochen hat uns zum Beispiel auch die Piratenpartei Istanbul angeschrieben“, beschreibt Lorant.

Ob in der Hackerszene oder nicht, durch den regen Austausch zwischen Berlin und Istanbul ist Mate genau in den entsprechenden Szenen, in denen Jiré und Lorant auch ihre Kunden sehen, längst nicht mehr unbekannt. Das trifft sich gut, findet Jiré, denn große Supermärkte möchten sie eigentlich nicht in ihre Kundenkartei aufnehmen.

Istanbul, Berlin und Club-Mate: Man gewöhnt sich dran

So oder so ähnlich entwickeln sich die Dinge eigentlich ganz gut für die beiden hier, in zwei Tagen geht es auch erst einmal wieder nach Berlin zurück, alle vier bis sechs Wochen pendeln sie dann von Berlin nach Istanbul.

„Man gewöhnt sich dran“, das finden sie, ist auch eine passende Beschreibung für Istanbul. „Auf einmal ist da ein Gebäude, das es vor einem Monat nicht gab. Das ist dann schon ein bisschen wie in Berlin. Und irgendwie lernt man ja auch immer spannende Leute kennen“, findet Lorant. Ob sie schon Lieblingsorte gefunden haben? Auf jeden Fall die Fährenfahrten und alle Orte mit schöner Aussicht. „Durch unsere Club-Mate Touren haben wir auf jeden Fall auch sehr abgelegene Plätze erkunden können. Manchmal fragen uns Cafés und Läden an Orten an, von denen wir noch nie gehört haben.“

Für die Zukunft hoffen die beiden vor allem, dass sich die Mateflaschen so in das Stadtbild integrieren, wie es in Berlin schon lange der Fall ist. „Die erste Person, die ich auf offener Straße mit einer Mate in der Hand treffe, werde ich auf jeden Fall umarmen“, versichert Lorant. Wenn das mal kein Angebot ist!

Okan vom Lemur Store in Kadiköy, in dem wir uns für das Interview trafen, hat sich auch für das Trendgetränk entschieden. In seinem Geschäft werden ab sofort die Kühlschränke mit Mate gefüllt werden.


Text: Fatima Spiecker
Bilder: Jane Katharina Di Renzo