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Dahinschmelzen mit der Dorfteyze und Thomas Müller

Deutsche und türkische Werbung im Vergleich

Werbung ist das einfachste globale Mittel zur Vermarktung von Produkten und Ideen. Die Art und Weise der Werbegestaltung sagt aber auch viel über Kultur und Werte eines Landes aus. Jedes Mal, wenn zu Hause die türkischen Sender laufen, wundere ich mich doch über die Eigenheiten deutscher und türkischer Werbung. Es finden sich einige Unterschiede, auf die es sich lohnt, genauer zu schauen. Deshalb folgt hier jetzt eine Gegenüberstellung von deutschen und türkischen Werbevorlieben aus dem Fernsehen und dem Internet.

Aufwändig, spruchreif und vertrauenserweckend: Werbung in Deutschland

In Deutschland darf eine Werbepause maximal 12 Minuten pro Stunde dauern. Während ARD und ZDF am Tag nur 20 Minuten Werbung zeigen dürfen (und das auch nur an Werktagen vor 20 Uhr) können Privatsender ein Fünftel ihres Programmes mit Werbung füllen. Das Gesetz regelt auch die Abstände zwischen den Werbeblöcken. So dürfen private Sender Filme nur alle 45 Minuten mit Werbung unterbrechen; Informations-, Dokumentations- und Kindersendungen, die kürzer sind als 30 Minuten, dürfen gar nicht unterbrochen werden. Auβerdem herrscht für Tabakwaren und verschreibungspflichtige Medikamente in Deutschland ein generelles Werbeverbot.

Schaut man sich die Entwicklung von Werbespots in den letzten Jahren an, so fällt auf, dass die Qualität und der Anspruch stark gestiegen sind. Heutzutage werden aufwändige Spots teilweise sogar auf Filmniveau produziert und gedreht. Um den Zuschauer und damit den potentiellen Käufer zu begeistern und für das Produkt zu gewinnen, kommen auch gerne mal Animationstechniken zum Einsatz. Während es früher einzelne Elemente waren, kann heutzutage das ganze Werbevideo ein kurzer Animationsfilm sein, zum Beispiel die Werbung von Kinderschokolade, die mit der Liebesgeschichte von Milky & Schoki die Herzen der Zuschauer zum Dahinschmelzen bringt.

Slogans wie „Ich bin doch nicht blöd“ von MediaMarkt, „Wir lieben Lebensmittel“ von Edeka oder „Kaufst du noch oder wohnst du schon“ von IKEA haben Ohrwurmpotential und sollen nicht nur Sympathien mit dem Produkt, sondern am besten mit dem ganzen Unternehmen erzeugen. Um Kundenkontakt, Nähe und Aufrichtigkeit zu vermitteln, tritt dann auch mal der Geschäftsführer oder Abteilungsleiter persönlich vor die Kamera, wie im Falle von Dr. Hipp für die Eigenmarke oder Marcell D’Avis für 1&1. Ein altbekanntes Mittel zur Erhöhung der Werbewirkung ist das Engagement von bekannten Gesichtern wie zum Beispiel Spielern der Fuβballnationalmannschaft, die für Chips, Nutella, Rasierer oder Reiseinternetportale auftreten. Während Kaya Yanar Edeka bevorzugt, geht Thomas Müller bei Rewe einkaufen. Mittlerweile werden auch internationale Stars für deutsche Werbung gewonnen: So haut Robbie Williams für Volkswagen Sprüche auf Deutsch raus.

Werbung kann unterhaltsam sein, aber auch ernsthafte Themen ansprechen. Im Falle der Deutschen Bahn soll die Wahl von starken Frauen als Lokführerinnen oder eines homosexuellen Liebespaares auch gesellschaftlich relevante Inhalte vermitteln. Ebenso kann Werbung aufrüttelnd und ernüchternd sein. Der Spot, in dem eine Mutter ihre drei Kinder dazu ermutigt, für den Papa ein Geburtstagsständchen drauβen vor dem Gefängnis zu singen, weil dieser wegen Raubkopiererei in Haft sitzt, wurde vor einigen Jahren oft gezeigt und verfolgte natürlich auch eine präventive Absicht.

Der Gipfel des Wettkampfes für die beste Werbung des Jahres zeigt sich insbesondere zur Weihnachtssaison. In den letzten Jahren gab es regelrecht einen Boom für lustige, emotionale und aufwendige Weihnachtsspots. Rührende Geschichten bewerben nicht nur das Produkt oder das Unternehmen, sondern vermitteln auch eine Botschaft und rücken das Zusammenkommen der Familie trotz Alltagsstress oder weiter Entfernung in den Vordergrund.

Melodisch, lokal und erzieherisch: Werbung in der Türkei

In der Türkei beträgt seit 2011 die maximale Werbelänge wie in Deutschland 12 Minuten pro Stunde. Der Sender ist hier frei, diese Dauer nach Belieben aufzuteilen. Insgesamt kann wie im deutschen Privatfernsehen zwanzig Prozent der Sendezeit täglich für Werbung genutzt werden. Bei Filmen und Dokumentationen darf die erste Werbung erst ab 45 Minuten Laufzeit erfolgen, anschlieβend alle 30 Minuten. Ein Werbeverbot herrscht für Tabakwaren und seit 2014 auch für Alkohol.

Eines der gröβten Auffälligkeiten türkischer Werbung ist die Beliebtheit von singenden Protagonisten. So wird gerne mal für Eistee gerappt, daneben gibt es auch Gesangseinlagen für Windeln, Käse, Joghurt, Salami oder Tee. Wenn dann noch die Popstars Özcan Deniz und Sıla für CocaCola beziehungsweise Hadise für Limonade singen und tanzen, ist der Erfolg der Werbung garantiert. Wie in jedem Land erfreuen sich Reklamespots mit bekannten Gesichtern groβer Beliebtheit. Eine Dauerbegegnung in der türkischen Werbelandschaft ist der Komiker Cem Yılmaz, der für zahlreiche Unternehmen wirbt. Während Serienstars wie Kıvanç Tatlıtuğ oder Serenay Sarıkaya eine Bank beziehungsweise Modelabels repräsentieren, begeistern internationale Stars wie die Sportler Kobe Bryant und Lionel Messi für Turkish Airlines.


Um nicht nur glanzvolle Werbeclips mit gut gekleideten Darstellern in den Groβstädten zu zeigen, sondern auch die einfachen Leute mit ländlichen Wurzeln anzusprechen, trifft man öfter mal auf Spots, die in einem Dorf auf dem Land spielen. Durch Verwendung von typischen Dialekten und traditioneller Kleidung, soll der Identifikationseffekt verstärkt werden, um ein gewisses Heimatgefühl und Nähe zu anatolischen Werten zu vermitteln. Auffallend ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Anteil ausländischer Werbespots in der Türkei geringer ist als im deutschen Fernsehen. Dies mag daran liegen, dass in der Türkei lokale Werbung besser ankommt als synchronisierte Spots mit Protagonisten, die bereits durch ihr Äuβeres nicht den Identifikationsfiguren der türkischen Zuschauer entsprechen.

Werbung in der Türkei soll auch aufklärend sein. So werden die Zuschauer für die Notwendigkeit des Anschnallens bei jeder Autofahrt, die richtige Säuglingsernährung, die Wichtigkeit von Blutspenden oder die ersten Maβnahmen bei Erster Hilfe sensibilisiert. Bei dieser Art von Werbung wird am Bildschirmrand der Begriff „Kamu Spot“ eingeblendet, um zu verdeutlichen, dass es sich hierbei um ein staatliches Aufklärungsvideo handelt.

Eine spezielle Form der türkischen Werbung ist solche, die auf türkische Auswanderer*innen zugeschnitten ist, die im Rahmen des Arbeiterabkommens vor Jahrzehnten ins Ausland, primär nach Deutschland, ausgewandert sind. Das Werbemarketing in der Türkei hat längst das groβe Potential erkannt, entsprechende Werbung für diesen Teil der türkischen Bevölkerung zu produzieren. Diese besondere Form von Reklame wird auf europäischen Ablegern türkischer Kanäle ausgestrahlt. Deutsch-türkische Werbung enthält zum Beispiel Gesangselemente — abwechselnd in beiden Sprachen, wie im Fall des Mobilnetzanbieters AyYıldız. Da die türkischen Zuschauer in Deutschland regelmäβig in das Heimatland reisen, wird auf diesen Kanälen vermehrt für Immobilien, Hotelanlagen oder auch plastische Chirurgie geworben. Ebenso sind die Sender für türkische Supermärkte in Deutschland eine ideale Gelegenheit, um über aktuelle Angebote zu informieren.

 

Ob ein Ständchen über Schafskäse oder ein beherztes Eingreifen einer Miniaturversion von Darth Vader: Beide Länder haben einige unterhaltsame und originelle Werbespots zu bieten. Betrachtet man die jeweiligen Werbevorlieben, so lässt sich unschwer erkennen, dass deutsche und türkische Werbung im Grunde mehr verbindet als sie voneinander trennt. Eine besondere Schnittstelle ist hierbei deutsch-türkische Werbung, die umso mehr verdeutlicht, wie zwei Kulturen das Leben vieler Menschen formen und bereichern können.

Text: Aydanur Şentürk