Die “Açık Stüdyo Günleri” oder auch “Open Studio Days” in Istanbul ist ein Event an dem bildende Künstler ihre Studiotüren für ein paar Tage der Öffentlichkeit zugänglich machen; Ob es sich dabei nun um Wohnzimmer, in denen sich Staffeleien anhäufen, Gallerien oder Yogastudios mit künstlerischem Anspruch handelt. Das Konzept ist in Städten wie Berlin und Wien schon lange etabliert, einmal im Jahr, dass wissen dort alle Kunstinteressierten, kann man mit einer Karte durch die Stadt tingeln und beliebte Ateliers besuchen. In Istanbul fanden diese Tage Anfang Oktober nun zum zweiten Mal statt. Hier sind unsere Eindrücke.
Ein Erfolgskonzept für Istanbul
Deniz und Juliane haben die Open Studio Days 2014 in Istanbul ins Leben gerufen. Die Idee war es, kleinen lokalen Künstlern in Istanbul den Kontakt zu Kunstinterressierten zu ermöglichen, unabhängig von kommerziellen Institutionen. Deniz hat an der Mimar Sinan Üniversitesi in Istanbul studiert und ist Bildhauer, Performanceartist und Musiker. Juliane kommt aus Deustchland und studiert Critical Studies im Master. Die Entscheidung in die Türkei zu gehen, hat sie schon mit 17 getroffen, als sie das erste Mal den Film „Crossing the Bridge“ von Fatih Akin gesehen hat.

Die Open Studio Days sollen zu einer größeren Solidarität der Künstler untereinander beitragen, ein Netzwerk schaffen. Obwohl die Open Studio Days in Istanbul erst in die zweite Runde gehen, hat sich einiges verändert seit dem letzen Jahr: Aus siebzehn Malern, Foto- und Videokünstlern, Grafikern und Designern wurden über dreißig, mittlerweile sowohl auf der europäischen als auch auf der asiatischen Seite Istanbuls.
Zu dem Erfolg des Vorjahres haben haupsächlich Deniz’ viele Kontakte in der Kunstszene geführt, da er eigentlich auf allen Hochzeiten tanzt und als interdisziplinär arbeitender Künstler Gott und die Welt kennt. Ohne Facebook jedoch, da ist sich Juliane sicher, wäre es kaum möglich gewesen, die Idee in so kurzer Zeit so bekannt zu machen.

„In Istanbul ist das anders, Besucher und Künstler haben Hemmungen, die Studios sind teilweise schließlich gleichzeitig Wohn- und Arbeitsraum, da fühlen sich viele etwas unsicher, die Privatssphäre des Anderen zu betreten und dann auch noch Fragen zu stellen“, erzählt Juliane.
Momentan leitet sie auch noch eine Tour, und klappert mit den Besuchern die Ateliers auf der Karte, die auf der Seite der Open Studios heruntergeladen werden kann, ab. Den Kontakt mit den Künstlern überlässt sie aber den Leuten selber. „Ich möchte, dass die Künstler die Fragen beantworten, ich habe nicht die Funktion einer Kuratorin oder eines Guides, der Kontakt soll schon direkt ablaufen.“ In zwei oder drei Jahren, das hoffen die beiden, soll das dreitägige Event auch von den Künstlern selber organisiert werden.
Istanbuls Kunstszene, ein Blick hinter die Kulissen
Dass der Andrang im zweiten Jahr schon so groß wurde, liegt außerdem an dem Wandel, in dem sich die Kunstszene in Istanbul befindet. Seit ungefähr fünf Jahren gibt es in Istanbul ein zunehmendes Interesse für Kunst in Off-Spaces, das will heißen, für künstlerische Aktivitäten und Ausstellungen außerhalb kommerzieller Gallerien. In den Köpfen der Künstler, von denen es wirklich reichlich in Istanbul gibt, ist Kunst schon lange kein Privileg der oberen Mittelschicht mehr, aber dennoch ist es schwierig für sie, die Öffentlichkeit zu erreichen, ohne die etablierten Strukturen zu nutzen.

Ein Atelierrundgang: Ölbilder in Karaköy, Streetart in Tarlabaşı
Auch wir werden einen Tag später mit den verschiedensten Eindrücken überflutet, die sich hinter Wohnungstüren und Bürogebäuden in Cihangir, Tarlabaşı, Galata und Kadiköy verteilt, verstecken. Da wäre zum Besipiel das winzige Atelier einer Malerin mit riesengroßer Terasse und Sicht auf den Bosporus (Natürlich seit einem Jahr von einem Neubau etwas verdeckt) im Szenekiez in Karaköy. Bevor wir uns das Schmuckdesignstudio im Erdgeschoss ansehen, werden wir von der Malerin erstmal zum Kaffee eingeladen. Zwischen briefmarkengroßen Bildern und zwei Meter Leinwänden, plauschen wir über ihr Studium an der Mimar Sinan Universität, das sie bereits abgeschlossen hat. „Mein Lehrer wollte immer, dass ich auf großen Formaten male. Eigentlich mag ich aber ganz kleine Bilder viel lieber“, erzählt Desen. Vor allem Krähen und verbotene Äpfel haben es ihr angetan.
Nach Ateliers mit Ölbildern und Schmuck stoßen wir in einem Bürohaus in Cihangir auf Beker, einen Foto- und Videokünstler. Neben Fotografien aus Konya, Istanbul und „allen möglichen Orten, an denen ich im letzten Jahr war“ berieseln uns Bildschirme mit teils satirischen und politsichen Loopaufnahmen. Die Ausstellung findet sozusagen im Flur statt, da Beker eigentlich gar nicht in dem größtenteils leeren Atelier arbeitet. „Die Videos habe wir Zuhause gedreht, ein Freund von uns arbeitet hier. Normalerweise werden hier Yogastunden und Zeichenkurse gehalten“, berichtet er.
Als nächstes führt unser Weg in die Pasajist Galerie in Tarlabaşı, die vordergründig Arbeiten und Künstler mit sozialem Engagement ausstellt. Dort finden wir eine kleine Ausstellung mit Fotografien und Installationen. Von einer Projektarbeit mit den Kindern des Problemkiezes Tarlabaşı bis zu Themen wie kulturelle Identität werden viele sensible Themen berührt. Der Fotograf Georgio erzählt uns dort von seinem Fotoprojekt: „Auf meinen Reisen durch Griechenland und die Türkei ist mir immer wieder bewusst geworden, wie ähnlich sich die kleinen Dinge, wie zum Beispiel diese Busstation, in den beiden Nachbarländern doch sind. Trotz der Grenze dazwischen.“
Von der schönen, kleinen Gallerie hinaus auf die lauten, engen und bunten Straßen Tarlabaşıs, auf denen übrigens auch gerade der Wochenmarkt stattfindet, führt unser Weg in Deniz’ Atelier, ein paar Straßen weiter. Vor der Türe des Wohnhauses kommt uns Juliane mit ihrer Atelier-Tour entgegen, die aus etwa zwanzig Leuten besteht, die sich auf verschieden Sprachen fröhlich unterhalten. Deniz und Sedev teilen sich das Atelier, welches eine bunte Mischung aus Wohnraum, Werkstube und Konzertbühne ist. Hier hängt ein Plakat von dem letzten Queerfilmevent, dort eine humoristische Installation. Am Eingang liegt das von Deniz, Sedef und Barış ins Leben gerufene Magazin Heyt be! („Wow“) aus.
Deniz’ Mutter bietet uns Wasser und 
Juliane, die seit nun vier Jahren zwischen Wien und Istanbul pendelt, möchte zwar eigentlich später lieber in Wien arbeiten. Deniz reicht Wien jedoch bis jetzt erstmal zum Besuchen, seine Szene ist in Istanbul, hier ist alles offen. Und Julianes und Deniz`Projekt, die Open Studio Days, stehen nächstes Jahr im Oktober auch wieder an.
Text: Fatima Spiecker
Bilder: Maximiliane Wittek




