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Auf der Suche nach der Geschichte hinter dem Song

„Die Mampen“

Königswinter. An einem kühlen und wolkenverhangenen Vormittag laufe ich vom Bahnhof durch die noch trostlosen Gassen. Mein Blick auf die beiden Wahrzeichen der Stadt – Schloss Drachenburg und die Burgruine Drachenfels – wird von der auf Pfeilern um den Stadtkern geführten B42 verdeckt. Die Betonschlange erinnert mich an meine Heimat in Istanbul. Nun treffe ich mich mit zwei Männern, die schon seit 30 Jahren befreundet sind: Nedim Hazar und Klaus Mages, die mit ihrer Musik- und Kabarettgruppe „Die Mampen“ die Geschichten hinter berühmten Songs aus aller Welt suchen.

Bei Nedim Hazar gibt es Gemüsesuppe. Am Küchentisch erzählen er und sein Bandkollege Klaus Mages von großen Künstler*innen, deren Migrations- oder Fluchtgeschichte Einfluss auf die Musik der Mampen hatte. Die beiden erzählen mir von Coco Schumann, der erst im vergangenen Jahr verstorbenen deutschen Jazzlegende. Er war es, der den Mampen als Inspirationsquelle diente und ihnen zum Bandnamen verhalf. Denn im Berlin der 30er Jahre nannten sich die Kinder christlich-jüdischer Mischehen nach der damals noch bekannteren Spirituose „Mampe Halb & Halb“. Auch Coco Schumann war eine Mampe.

„Lieder und Geschichten im Transit“

Selbst wenn die heutigen Mampen ebenfalls ihre eigenen Geschichten des Vielfältigen, des Dazwischen-Seins und der Erfahrungen von Flucht und Migration zu erzählen hätten (Hazar musste 2018 nach 15 Jahren in der Türkei das Land verlassen), geht es bei ihrem Projekt um andere. Persönlichkeiten wie Eartha Kitt und Harry Belafonte stehen genauso im Vordergrund wie unvergessliche Songs wie „Bei mir bistu schein“, „La Paloma“ und „Boşvermişim Dünyaya“. Doch die Mampen sind keine Coverband, erklärt Nedim Hazar und Klaus Mages sagt: „Wir wollen nicht nachspielen, sondern die Bedeutung der Lieder herauskitzeln.“ Es gehe darum, die Geschichten hinter den Stücken und Musiker*innen ans Tageslicht zu bringen – sowohl musikalisch durch eine Neuinterpretation der Mampen als auch historisch durch die eingewobenen Erzählungen.

Für die Auswahl der Lieder spiele dabei keine Rolle, woher diese stammen oder in welcher Sprache sie zuerst gesungen wurden. Es finden sich daher arabische, spanische, deutsche, englische, türkische, kurdische, jiddische, griechische, und italienische Stücke im Repertoire. Auch das musikalische Genre ist für die Mampen unerheblich und reicht vom Rock’n’Roll über Blues, Jazz und Calypso bis zu Balladen. Das verbindende Element der Musikauswahl ist vielmehr in der Entstehungsgeschichte zu suchen, die sich stets vom Transit gezeichnet sieht.

„Rock’n’Roll ist eine armenische Erfindung“

Ein Beispiel dafür ist der Song „Daddy Lolo“ von Charles Ganimian, den die Mampen schon vor ihrer geplanten Tournee im Internet als Video veröffentlichten. Im Video wird die Herangehensweise der drei Musiker deutlich. „Weißt du,“ sagt Nedim Hazar zu Beginn, „Rock’n’Roll ist eine armenische Erfindung.“ Während nun das Lied anklingt, wird – mit eingestreutem Humor – die Geschichte erzählt. Im Fall von Ganimian handelt diese von der Migration seiner armenischen Eltern aus Anatolien in die USA. Hier jedoch spricht die Familie weiter Türkisch und Armenisch, was den jungen Charles dazu verleitet, sich auch musikalisch an der Herkunft seiner Eltern zu orientieren. Wer nach dem Ende von „Daddy Lolo“ noch immer zweifelt, dass diese Musikrichtung armenischen Ursprungs ist, wird vom dritten Bandmitglied, dem italienischen Klarinettisten Alessandro Palmitessa, mit einem Augenzwinkern aufgeklärt: „Eigentlich ist Rock’n’Roll eine italienische Erfindung.“

Ein anderes Beispiel ist „Hatırla Ey Peri”, auch bekannt als „Hatırla Sevgili“. Bald einhundert Jahre alt ist das von Muhlis Sabahattin Ezgi komponierte türkischsprachige Liebeslied. Bei den Mampen auf der Bühne erfahren Besucher nicht nur, dass der osmanische Oppositionelle erst im französischen Exil zum Komponisten wurde, sondern auch welchen Platz das Lied im Verlauf der türkischen Geschichte eingenommen hat. So ist den Älteren besonders die Interpretation von Zeki Müren in den 50ern im Gedächtnis geblieben, während die jüngere Generation es als Titellied der TV-Erfolgsserie „Hatırla Sevgili“ (2006-2008) kennt.

Theater, Kabarett und viel Musik

Es ist genau diese Mischung aus Erzählung und Musik, welche den Mampen wichtig ist. Daher betrachten sie ihre Show, die am 30. April in Köln Premiere feiern wird, weniger als Konzert, sondern vielmehr als Musikrevue. Für die Uraufführung von „Die Mampen – Lieder und Geschichten im Transit“ auf der Volksbühne am Rudolfplatz haben sich die drei Musiker zusätzliche Unterstützung gesichert. Sowohl Hazars Sohn, der Rapper Eko Fresh, als auch der Kölner Chor für Türkische Musik werden an diesem Abend mit auf der Bühne stehen – ein weiteres Indiz für die bereits erwähnte musikalische Vielseitigkeit.

Es gibt jedoch noch andere Elemente, die dem Charakter eines herkömmlichen Konzerts widersprechen. Die vorgetragenen Hintergrundgeschichten werden teils wie im Theater inszeniert und die ein oder andere kabarettistische Einlage wird ebenso vorhanden sein. Wenngleich auch der Redeanteil auf der Bühne gut ein Drittel des Abends ausmachen wird, so soll dies nicht zulasten der Musik gehen, die an vielen Stellen zum Mitsingen und -klatschen anregen könnte. „Wir sind fast sechzig und wollen auch Spaß daran haben“, sagt Nedim Hazar lachend. Ich glaube es ihm und höre mir von den beiden Musikern die Geschichte der Casa Verdi über ein von Giuseppe Verdi gegründetes Altersheim in Mailand an, in dem ausschließlich Künstler*innen ihren Lebensabend verbringen dürfen. Die drei Mampen Palmitessa, Mages und Hazar hingegen setzen sich noch nicht zur Ruhe, sondern starten im Herbst ihre Tour durch Deutschland.


Text und Fotos: Navid Linnemann


Mehr Infos zu den Mampen und ihren Songs gibt es auf Facebook und der Webseite www.die-mampen.de.

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