Wenn man Istanbul zum ersten Mal besucht, fallen einem sofort die vielen Straßenkatzen auf. Sie sind ein Teil des Stadtbildes. Die Katzen liegen gemütlich an sonnigen Plätzen, streichen Teetrinkern um die Beine, stolzieren über die Straßen und Dächer dieser Stadt. In vielen Ecken Istanbuls sieht man Katzenhäuschen, mehrstöckig sogar, die vom Bezirk oder Privatleuten aufgestellt werden. An manchen Hauseingängen stehen kleine Trinkgefäße und Futterhaufen, an denen sich die Katzen bedienen können. Es gibt unzählige von ihnen, den Katzen Istanbuls. Nachts hört man manchmal Kampfschreie oder Klagelaute. Jetzt, wo es kälter ist, sieht man öfter zugeschwollene Katzengesichter, abgemagerte Leiber, zerrupftes Fell. Lebt man lange in dieser Stadt, so gewöhnt man sich irgendwie an den Anblick, oder schaut halt weg. Manche tun das nicht und nehmen sich der Tiere immer wieder an.

“Irgendwie sind wir da so reingerutscht”, sagt Nina. Und aus dem Impuls zu helfen entstand letztendlich die Plattform Streetcats Istanbul, eine Facebookseite, und seit Oktober auch eine Webseite, auf der man den Werdegang von bestimmten Katzen verfolgen, kranken Tieren Medikamente und Augenoperationen bezahlen kann oder auch selbst eine Katze für einen kurzen oder längeren Zeitpunkt zu sich nehmen kann.
Doch welchen Katzen nehmen sich Streetcats Istanbul an? Es gibt so viele Katzen, die krank sind, hungern und auch in Istanbuls Straßen umkommen. “Das ist eigentlich Zufall”, sagt Nina. “Da wo wir Not sehen, greifen wir ein und versuchen, etwas zu ändern.” Das können ausgemergelte Katzen aus der Nachtbarschaft sein oder verwundete Katzen, die einem auf der Straße über den Weg laufen. Es kam auch öfter vor, dass Nina und Tobias von Bekannten Anrufe bekamen. Sogar Fremde wenden sich inzwischen an die Plattform. Einmal, so erzählt Nina, habe sie nur ein Foto von einer kranken Katze und den Bezirk, in dem sie gesichtet wurde zugeschickt bekommen. Nina fuhr los und suchte stundenlang nach der Katze auf dem Foto. Sie fand sie, verhalf ihr gesund zu werden und entließ sie dann wieder in die Freiheit. “Wir können nicht jeder Katze helfen. Wir können uns aber dem Leid gegenüber öffnen und dort helfen, wo wir es sehen. Ich habe mir aber auch abgewöhnt zu denken: was passiert, nachdem ich geholfen habe? Wenn man sich das fragt, dann könnte man verzweifeln. Aber ich glaube, jede kleine Hilfe zählt. Und eigentlich können wir im Kleinen viel tun. Und den Katzen um uns herum ein glücklicheres Leben ermöglichen.” Und dass es viele gibt, die in ihrem Umfeld helfen wollen, das zeigt die Resonanz, die diese Plattform bis nach Deutschland hin erfährt.

So ist man dann auf virtuelle Weise ganz nah dran an den Straßenkatzen, die in Istanbul zuhause sind. Doch Nina und Tobias haben auch Geschichten zu erzählen, bei denen die Katzen den Weg nach Deutschland gemacht haben.

Fotografie: Bora Yeter


