Die einen sahen in ihr schon die angehende CDU-Generalsekretärin, anderen ist sie zu liberal für die CDU und sie wünschen sich konservativere Kandidat*innen für diesen Posten. Serap Güler polarisiert, nicht nur in ihrer eigenen Partei, sondern auch in den Reihen türkischer Migrant*innen, von denen sich manche für ihre Community Mitglieder „linkere“ Parteikarrieren wünschen. Wir trafen diese junge Politikerin und befragten sie zu ihren Motiven für ihre politische Karriere und ihren Erfahrungen und Visionen als Migrantin:
Maviblau: Frau Güler, wer sind Sie?
Serap Güler: Ich bin Bundestagsabgeordnete. Zuvor war ich Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen und davor war ich Landtagsabgeordnete. Studiert habe ich Kommunikationswissenschaften und Germanistik und komme aus dem Ruhrgebiet.
Hören Sie auch oft Sätze wie diese “Sie sprechen ja gut Deutsch, wo haben Sie so gut Deutsch gelernt?”
Als junger Mensch war das öfter der Fall, inzwischen höre ich das kaum, es sei denn, die Menschen kennen mich nicht, die mich das fragen, dann kommt das noch vor. Aber nicht so oft wie in meiner Jugend.
Sie sind Tochter einer migrantischen, türkisch-muslimischen Arbeiterfamilie und nun eine aufsteigende Politikerin mit großen Erfolgsaussichten. Wie empfinden Sie Ihren Werdegang bzw. Ihre Biografie? Gab es Herausforderungen, die sehr anstrengend für Sie waren?
Ich habe keine Diskriminierung erfahren oder Rassismus erlebt bzw. ich habe es nicht als solchen empfunden. Bei manchen Professoren im Studium dachte ich, dass die sexistisch sind, aber nicht, dass sie Rassisten sind. Ich glaube auch, dass es heute eine größere Sensibilität und Aufmerksamkeit für dieses Thema gibt. In meiner Jugend hat die Sensibilität dafür gefehlt.
Für mich war die größte Herausforderung, dass meine Eltern nicht so gut Deutsch sprachen und ich eben keiner deutschen Bildungsfamilie entstamme. Ich hatte dadurch viel mehr Herausforderungen als andere. Das größte Thema war Bildung. Seit 2015 sehen wir nun viele Familien, die die gleichen Herausforderungen haben. Bildung ist sehr wichtig für eine gelungene Integration und die Durchlässigkeit in unserem Bildungssystem ist nicht so optimal, da gibt es noch viel zu tun.
Glauben Sie, Sie wären erfolgreicher, wenn Sie deutsche Wurzeln hätten oder ein Mann wären? Meinen Sie, dass die Anzahl an (post-)migrantischen Politiker*innen in der deutschen Politik ausreichend ist?
Ob ich erfolgreicher gewesen wäre, kann ich nicht sagen, aber ich hätte weniger Schleifen gehabt. Ich habe zuerst eine Ausbildung absolviert und dann studiert. Während des Studiums konnte ich nicht wie andere ins Ausland und dort studieren, ich musste das Studium schnell durchziehen, da ich es mir auch selbst finanziert habe. Hätte ich deutsche Wurzeln gehabt, wäre es vielleicht einfacher bzw. lockerer gewesen.
Aktuell haben wir den diversesten Bundestag, den wir je hatten. So viele Migrant*innen saßen noch nie im Bundestag. In meiner eigenen Partei bin ich eher die Ausnahme, da ist noch viel Luft nach oben. In Nordrhein-Westfalen ist der Aufstieg als Migrant meines Erachtens auch einfacher als an anderen Orten, wo es ländlichere Strukturen gibt.
Sie gehören einer Partei an, die als konservativ gilt. War die Mitgliedschaft und der Aufstieg in einer solchen Partei für Sie als Migrantin aus einer muslimischen Familie schwierig?
„C“ steht ja nicht für „Christenclub“, sondern für ein Bekenntnis zu einem christlichen Menschenbild. Es ist kein Ausdruck einer Religionszugehörigkeit, jeder kann sich dort wiederfinden. Leider wird das „C“ oft missgedeutet. Mir dient mein eigener und der christliche Glaube als politischer Kompass.
Wer waren die Vorbilder in Ihrem Leben und welche Ressourcen hatten Sie, um Ihren Weg zu gehen?
Meine Eltern waren meine Vorbilder und die Generation der Gastarbeiter. Ich finde den Mut dieser Menschen, die sich aufmachen in ein fremdes Land, faszinierend. Sie kannten die Sprache und Kultur nicht und damals war die Welt noch nicht so globalisiert und kosmopolit wie heute. Ich bewundere diese Menschen für ihren Mut und ihre Entschlossenheit. Außerdem waren einige Lehrer für mich Vorbilder und auch Menschen bzw. Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen. In der Schule lasen wir damals Simone de Beauvoir, sie war ein tolles Vorbild. Für mich als junge Frau war es wichtig, dass Frauen ihren eigenen Weg gehen. In meiner Partei war Rita Süssmuth ein Vorbild für mich und Heiner Geissler, der politische Auseinandersetzungen nicht scheute.
Welche Botschaft möchten Sie anderen Migrant*innen mitgeben, die sich für eine politische Karriere interessieren?
Testen Sie es aus, lassen Sie sich nicht beirren oder von der Ellenbogenmentalität abschrecken. Sowohl Migranten als auch Nicht-Migranten sollten sich nicht in Schubladen stecken lassen, nicht als Schablonen durch die Welt gehen. Jeder sollte seinen eigenen Weg gehen und sich in seiner Identitätsbildung nicht beeinflussen lassen.
Text: Ilgın Seren Evişen
Bild: Laurence Chaperon