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Ein Netzwerk nicht nur für Migrant*innen

Die TD-Plattform

Der erste Versuch, Caner Aver, dem Präsidenten der TD-Plattform im Vereinsbüro in Düsseldorf zu treffen, wird prompt durch einen Falschparker vereitelt. Zum Glück gelingt uns zwei Tage später eine Verabredung in Essen. Bei der „Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung“, seinem eigentlichen Arbeitgeber, empfängt mich Aver in seinem Büro während seiner Mittagspause. Dass er seine hauptberuflichen Aufgaben in der Stiftung bestens mit dem Ehrenamt im Verein verknüpfen kann, wird mir im Laufe unseres Gespräches schnell klar.

Die TD-Plattform ist…

…ein Kürzel für die Türkisch-Deutsche Studierenden und Akademiker Plattform e.V. – ausgeschrieben lässt sich ein wenig besser erahnen, um was es bei dem 2006 in Köln gegründeten Verein geht.
“In der Stiftung leite ich das Programmfeld Hochschule und Migration”, sagt Aver über seine Arbeit. „Vor diesem Hintergrund kann ich meine fachliche Kompetenz aus der Stiftungsarbeit auch in die ehrenamtliche Arbeit bei der Plattform übertragen.”

Durch regelmäßige Vorstandstreffen und nahezu tägliche Vereinsarbeit wurde die TD-Plattform zu einer echten Größe auf ihrem Gebiet. Ob auf Informationsveranstaltungen oder Podiumsdiskussionen – immer öfter ist die Ansicht des Vereins gefragt. Durch die reguläre Teilnahme am Integrationsgipfel der Bundesregierung zum Beispiel steht die TD-Plattform zunehmend im Fokus der Medien.
Um nicht nur die eigentliche Vereinsarbeit zu leisten, sondern auch „Ansprechpartnerin“ zu sein, muss die TD-Plattform ein hohes Maß an Flexibilität und Arbeitsteilung aufbringen. Von über 350 ordentlichen Mitgliedern sind 15 Personen im Vorstand tätig, der alle drei Jahre neu gewählt wird. Der Vorstand kommuniziert sehr regelmäßig und Entscheidungen werden demokratisch getroffen. Genutzt werden hierfür vor allem die Sozialen Medien, da die Vereinsmitglieder auf dem gesamten Bundesgebiet verstreut leben. Hieraus ergibt sich auch die Gründung von Regionalvertretungen an Hochschulstandorten wie beispielsweise in Berlin, Hannover, Frankfurt oder München. „Ziel ist es, dass wir durch die Regionalvertretungen unsere Projekte in ganz Deutschland anbieten können.”, erläutert der Präsident der Plattform die Grundidee.

Die Projekte der TD-Plattform konzentrieren sich auf…

…drei Programmfelder: Bildungsaufstieg, Arbeitsmarktintegration und politische Partizipation.
Studierende können auf ihre spätere Berufslaufbahn besser vorbereitet werden und Hochschulabsolvent*innen bekommen die Möglichkeit, mit potenziellen Arbeitgeber*innen auf Augenhöhe in Kontakt zu treten. Warum dafür die Hilfe des Vereins nötig ist, erklärt mir Aver: “Über den normalen Bewerbungsweg ist die Benachteiligung gegenüber Migrant*innen höher. Wir haben uns gedacht: wenn Bewerber und Arbeitgeber sich persönlich treffen, verschwinden diese Vorurteile.” Doch nicht nur der Arbeitgeberseite wird der Anreiz geboten, sich für Bewerber*innen mit Migrationshintergrund stärker zu öffnen. Auch den Bewerbern*innen selbst wird unter die Arme gegriffen. Soziales Engagement, ein englischsprachiges Auslandssemester und berufsbezogene Nebenjobs sollten im Lebenslauf nicht fehlen. „All diese vermeintlich kleinen Faktoren, aber tatsächlich wichtigen Punkte bringen wir den Studierenden anhand von Qualifizierungsmaßnahmen an den Unis bei.“
Seit 2009 liefert die TD-Plattform eine Besonderheit: Die Plattino-Preisverleihung. „Das ist ein Preis, den wir Persönlichkeiten vergeben, die sich in der Völkerverständigung, der Teilhabe oder der Integration im deutsch-türkischen Kontext verdient gemacht haben. Heute gehört er zu den größten deutschtürkischen Events in Deutschland“, erläutert Aver. In den vergangen Jahren wurden beispielsweise Dunja Halali, Serdar Somuncu, Christian Wulff und Nuri Şahin ausgezeichnet. Dieses Jahr sind die NSU-Opferanwälte und das NRW-Talentscouting mit dem Preis für ihr Engagement geehrt worden.

Qualifikationsseminar.jpg

Möglichkeiten, sich selbst einzubringen, sind…

…an vielen Stellen gegeben. Nicht nur als einfaches Mitglied bei den Mitgliederversammlungen oder als Regionalvertreter*in an einem weiteren Hochschulstandort können Interessierte sich engagieren, sondern auch in einzelnen Projekten. Zu diesen zählen zum Beispiel Vorträge und Podiumsdiskussionen. Geplant und organisiert wird rege in den Sozialen Medien. Einen Einstieg liefert also die offizielle Facebookseite oder die zugehörigen Diskussionsgruppen, ohne direkt dem Verein beitreten zu müssen.
Wen die Motivation packt, kann sie gleich dazu nutzen, andere beim Verein damit anzustecken, denn das ist ein Kernanliegen der TD-Plattform. Aver begründet die notwendige Partizipation am politischen und gesellschaftlichen Leben damit, dass „insbesondere Deutschtürken der dritten, vierten Generation nicht das pauschale Luxusproblem haben, mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu sagen: ‘Die bösen Deutschen wollen uns nicht’. Stattdessen sind wir dazu angehalten, den Prozess des gesellschaftlichen Wandels hier und jetzt mitzugestalten.”

Familienfoto

Besondere Momente bei der TD-Plattform…

.. sind neben den Preisverleihungen vor allem die Zunahme an positivem Feedback von anderen Akteuren und Medien. Ein voller Erfolg war zum Beispiel der Empfang des Vereins in Berlin im Jahre 2015. „Als erste deutsch-türkische Organisation für Migrant*innen im Auswärtigen Amt empfangen zu werden ist schon ‘ne Nummer“, erinnert sich Aver. Nach einem halben Jahr Vorbereitung konnte sich der Verein in der Hauptstadt vorstellen, das für seine Arbeit wichtige Netzwerk weiter ausbauen und Mitglieder dazu motivieren, sich für den diplomatischen Dienst zu bewerben.
Wenn Aver auf seine dreijährige Amtszeit zurückblickt, denkt er an eine intensive und ressourcenverschlingende Zeit, die dafür aber mit Erfolg belohnt wurde. „Wir haben den Verein ein Stück weit nach vorn gebracht, ihn finanziell, inhaltlich und strukturell konsolidiert sowie in den mehrheitsgesellschaftlichen Institutionen positioniert. Wir sind parteipolitisch unabhängig, deutschland-orientiert, und engagieren uns bisher erfolgreich für Gleichberechtigung.“ fasst er seine Arbeit mit dem Vorstandsteam zusammen. Dann ergänzt er: „Jetzt ist es, glaube ich, an der Zeit, das Zepter weiter zu geben.“ Denn für eine weitere Amtszeit möchte der noch amtierende Präsident nicht mehr antreten. Die Zukunft der TD-Plattform sieht er als einen Prozess des allmählichen Wandels. Die Richtung ist vorgegeben, nun gelte es, kontinuierlich an dem Ziel der Chancengleichheit durch das Konzept der drei Programmfelder mit den darin enthaltenen Projekten festzuhalten – und diese nach Möglichkeit auszubauen.

Informationen über die TD-Plattform findet ihr hier.

Text: Navid Linnemann
Bilder: TD-Plattform

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